Ich freue mich heute zum ersten Mal einen Gastbeitrag hier im Blog veröffentlichen zu dürfen. Lennart Laude ist geschäftsführender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und ist seit 2011 Mitglied des VfB. Die Diskussionen rund um die Kandidatur Thomas Hitzlspergers als Präsident des VfB Stuttgart 1893 e.V. haben ihn in den letzten Tagen sehr beschäftigt und schließlich dazu veranlasst, einige Gedanken zur rechtlichen Situation zu verschriftlichen. Teile seiner Einschätzungen wurden bereits in der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht, hier im Blog lest Ihr den kompletten Text.
Vorab noch eine persönliche Anmerkung: Ich finde es wichtig, dass man sich in den derzeit laufenden Diskussionen bei aller Emotionalität doch immer wieder auch auf eine Faktenbasis zurückziehen kann. Deswegen sage ich zum Beispiel auch in der Begründung zu meinem Antrag auf Satzungsänderung, dass es ausschließlich um die Behebung von Defiziten in der Satzung und nicht um Angriffe auf Personen im Verein bzw. der AG geht. Und auch der nachfolgende Text ist ganz hervorragend dazu angetan, sich mit der rechtlichen Sachlage auseinanderzusetzen und dies bei der eigenen Meinungsfindung mit einfließen zu lassen.
Thomas Hitzlsperger und die Notwendigkeit vereinsinterner Demokratie
Autor: Dr. Lennart Laude, LL.M. (LSE)
Die Ankündigung von Thomas Hitzlsperger, neben seinem Amt als Vorstandsvorsitzender der VfB Stuttgart AG auch als Präsident des VfB Stuttgart e.V. zu kandidieren, hat den vereinsinternen Machtkampf in eine öffentliche Diskussion verwandelt und den sportlichen Erfolg der aktuellen Spielzeit in den Hintergrund gedrängt. Neben der personellen Frage, wer den Verein künftig anführen soll, und der moralischen Frage, ob Hitzlsperger durch seine Kandidatur im Ausgliederungsprozess getätigte Versprechen an die Vereinsmitglieder bricht, werden zunehmend die mit der Kandidatur verbundenen rechtlichen Fragen diskutiert. Dieser Beitrag möchte einen systematisierenden Beitrag zu dieser laufenden Diskussion leisten. Zugleich möchte er den Blick über die Fragen rund um die Vereinssatzung hinaus ausweiten und zeigen, warum eine – rechtlich vertretbare – Kandidatur von Thomas Hitzlsperger zu einem Legitimationsdefizit von Entscheidungen der AG wie des e.V. führen kann. Trotz seiner bisherigen Erfolge sollte eine Wahl von Thomas Hitzlsperger zum Präsidenten des VfB Stuttgart e.V. daher nur dann erwogen werden, wenn ihr eine grundlegende Diskussion über die Entscheidungsprozesse im Verein vorausgeht.
Die Satzung des VfB Stuttgart und ihre Untiefen
Nachdem Thomas Hitzlsperger in einem offenen Brief am 30. Dezember sein Ziel geäußert hatte, im März 2021 zum Präsidenten des VfB Stuttgart e.V. gewählt zu werden, stellte sich für viele Vereinsmitglieder die Frage: Darf er überhaupt kandidieren? Schließlich ist Hitzlsperger in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der VfB Stuttgart AG bereits mit erheblichem Einfluss ausgestattet und könnte sich – da der Präsident des e.V. aktuell den Vorsitz im Aufsichtsrat der AG übernimmt – vermeintlich selbst kontrollieren.
In den Fokus der Überlegungen ist zunächst eine eher versteckte Vorschrift in § 16 (3.) der Vereinssatzung zu nehmen: Danach werden der Präsident und jedes weitere Präsidiumsmitglied von der Mitgliederversammlung auf Vorschlag des Vereinsbeirats (für die Dauer von vier Jahren in Einzelwahl) gewählt. Der Vereinsbeirat kann der Mitgliederversammlung in freier Entscheidung für jede Position bis zu zwei Kandidaten zur Wahl vorschlagen. Die Voraussetzungen für die Kandidaten sind unter § 16 (3.) (b.) bestimmt; insbesondere muss jeder Vorschlag „qualifizierte Bewerbungsunterlagen“ enthalten. Diese sollen Nachweis darüber erbringen, „dass der vorgeschlagene Kandidat über eine mindestens zehnjährige Erfahrung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in einer hohen Managementposition oder in einer vergleichbaren Führungsposition und/oder im aktiven Leistungssport verfügt.“
Hieraus ergibt sich, dass ein Kandidat zum Zeitpunkt der Einreichung des Wahlvorschlags mindestens zehn Jahre Erfahrung vorweisen muss. Um zu bestimmen, in welchem Verhältnis die verschiedenen möglichen Vorpositionen eines Kandidaten – hohe Managementposition, vergleichbare Führungsposition, aktiver Leistungssport – zueinanderstehen, ist eine Auslegung der Satzungsbestimmung notwendig. Die Erfahrung kann aus „wirtschaftlichen Angelegenheiten in einer hohen Managementposition oder einer vergleichbaren Führungsposition“ stammen; diese Positionen stehen in einem alternativen Verhältnis zueinander. Der Bereich wirtschaftlicher Angelegenheiten wird durch die Benennung von Management- und Führungspositionen doppelt erfasst. Hiervon getrennt ist durch die Formulierung „und/oder“ der aktive Leistungssport.
Einerseits erlaubt die Formulierung „und“, Erfahrung aus dem aktiven Leistungssport und aus wirtschaftlichen Angelegenheiten zusammenzurechnen und erweitert so den Kreis potenzieller Kandidaten. Andererseits wird durch den Nachschub „oder“ eine Alternativität zwischen wirtschaftlichen Angelegenheiten und aktivem Leistungssport hergestellt: Ein Kandidat ohne jegliche Erfahrung in wirtschaftlichen Angelegenheiten kann vorgeschlagen werden, wenn er mindestens zehn Jahre Erfahrung aus dem aktiven Leistungssport aufweist. Für die Kandidatur von Thomas Hitzlsperger, der zwölf Jahre als Profi-Fußballer und drei Jahre in Führungspositionen (seit der Wahl als Mitglied des Präsidiums des VfB Stuttgart e.V. am 3.12.2017) tätig war, gilt daher, dass er die Voraussetzungen erfüllt, um der Mitgliederversammlung vom Vereinsbeirat als Kandidat für das Präsidentenamt vorgeschlagen zu werden.
Nachbesserungsbedarf für die Vereinssatzung
Unabhängig von der Kandidatur von Thomas Hitzlsperger ist die unpräzise Formulierung „und/oder“ für eine Satzungsbestimmung von derartiger Tragweite überraschend und unglücklich. Bei zukünftigen Mitgliederversammlungen sollten die Mitglieder des VfB darüber nachdenken, durch eine präzisere Formulierung klarzustellen, ob Erfahrung im aktiven Leistungssport tatsächlich auf einer Stufe mit Erfahrung aus wirtschaftlichen Angelegenheiten zu verorten ist. Für einen Sportverein mit über 70.000 Mitgliedern ist die Vorstellung, dass ein Präsident ohne jegliche wirtschaftliche Vorerfahrung ob seiner Zeit als aktiver Leistungssportler zu dessen Führung qualifiziert sein soll, zumindest zweifelhaft. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der in § 17 (3.) der Vereinssatzung statuierten Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses nach kaufmännischen Grundsätzen – soll sich der Präsident dabei nicht ausschließlich auf fremde Beratung verlassen. Auch zeigt ein Blick in die Präsidien der anderen Fußball-Bundesligisten, die von Namen wie Herbert Hainer, Reinhard Rauball, Peter Fischer und Rolf Königs geführt werden, dass ein Präsident mit ausschließlicher Erfahrung aus dem aktiven Leistungssport eine absolute Ausnahme darstellen würde.
Die Auswahlentscheidung durch den Vereinsbeirat
Eine Kandidatur von Thomas Hitzlsperger als Präsident ist auf Grundlage der aktuellen – nachzubessernden – Fassung der Vereinssatzung zulässig; im nächsten Schritt hat der Vereinsbeirat zu erwägen, ob er ihn unter vier Bewerbern auswählt und der Mitgliederversammlung als Kandidat vorschlägt. Nach § 16 (3.) der Satzung kann der Vereinsbeirat bis zu zwei Kandidaten „in freier Entscheidung“ vorschlagen. Ihm ist insoweit ein weiter Entscheidungsspielraum eingeräumt. Eingrenzende Maßgaben für die Auswahlentscheidung des Vereinsbeirats zwischen verschiedenen Bewerbern sind nicht in der Satzung enthalten. Dennoch ist darauf hinzuweisen, dass der Vereinsbeirat ob der in der Satzung vorgenommenen Trennung zwischen Erfahrung aus dem aktiven Leistungssport und solchen aus wirtschaftlichen Angelegenheiten bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann, wenn ein Kandidat in einem Bereich signifikante Vorteile hat. Weiterhin hat der Vereinsbeirat darüber nachzudenken, inwieweit ein Bewerber überhaupt in der Lage ist, den zeitlichen und organisatorischen Aufwand, der mit dem Amt des Präsidenten verbunden ist, zu erbringen. Dies lässt sich auch aus der Satzung entnehmen, nach der Kandidaten gem. § 16 (3.) (b.) „geeignet“ für ihr Amt sein müssen. Mit Blick auf den Kandidaten Thomas Hitzlsperger ist hier abzuwägen, inwiefern seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der AG es zulässt, auch das Amt als Präsident des e.V. in geeigneter Weise auszuüben. Da angenommen werden kann, dass es sich bei der Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender der AG um eine Vollzeitbeschäftigung handelt, muss hier die Frage beantwortet werden, in welchem (zeitlichen) Rahmen die Aufgaben als Präsident des e.V. erbracht werden sollen. Dies gilt selbst in dem Fall, dass der Vereinsbeirat gem. § 16 (3.) (c.) der Satzung entscheidet, dass die Mitglieder des Präsidiums ehrenamtlich tätig sind (was Thomas Hitzlsperger angekündigt hat); der mit der Aufgabe verbundene Zeitaufwand wird schließlich durch ihre ehrenamtliche Wahrnehmung nicht verringert. Unter diesen Bedingungen erscheint jedenfalls – trotz seiner bisherigen erfolgreichen Tätigkeit im Verein – fraglich, ob Thomas Hitzlsperger einen der zwei geeignetsten Vorschläge für das Präsidentschaftsamt darstellt.
Keine Einschränkung durch DFL-Statuten
Aus der Satzung der Deutschen Fußball Liga e.V. folgen für die aktuell beim VfB Stuttgart diskutierte Konstellation der Ausübung mehrerer Ämter durch eine natürliche Person – soweit ersichtlich – keine einschränkenden Maßgaben. § 8 der DFL-Satzung schützt zwar die rechtliche Unabhängigkeit von Vereinen. Indes geht es dabei ausschließlich um die Frage, in welchem Umfang eine Kapitalgesellschaft an einem eingetragenen Verein beteiligt sein kann. Ziel ist die Absicherung eines hinreichenden Einflusses des Muttervereins gegenüber Kapitalgesellschaften. Diesem Ziel könnte sogar dadurch gedient werden, falls Thomas Hitzlsperger in der angestrebten Doppelfunktion die Interessen des e.V. in noch stärkerer Weise in die AG einbringt.
Die Regeln des Aktiengesetzes und ein notwendiger Vertrauensbruch
Im Gegensatz zu der etwas unklar formulierten Vereinssatzung bringt das Gesellschaftsrecht deutlicher zum Ausdruck, dass die Ausübung mehrerer Ämter in einer Gesellschaft nicht gesetzlich gewollt ist. § 105 Abs. 1 AktG bestimmt für Aktiengesellschaften, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht zugleich Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein kann. Hier kommt eine eindeutige Funktionstrennung von Vorstand und Aufsichtsrat zum Ausdruck. Geschäftsführendes und überwachendes Organ einer AG sollen nicht von denselben Personen ausgeübt werden, wodurch eine unvoreingenommene Überwachung der Geschäftsführung nicht mehr gewährleistet wäre. Somit gilt: Als Vorstandsvorsitzender der AG dürfte Thomas Hitzlsperger nicht zugleich nach einer Wahl zum Präsidenten des e.V. in den Aufsichtsrat einziehen. Sein diesbezügliches Versprechen spiegelt somit schlicht die rechtlichen Notwendigkeiten wider.
Nun kann man sich (formaljuristisch) auf den Standpunkt stellen, dass die Anforderungen des Aktiengesetzes auch in dem Fall gewahrt werden können, dass Thomas Hitzlsperger zum Präsidenten des e.V. gewählt wird. Aus der Vereinssatzung folgt kein Automatismus, wonach der Präsident kraft Amtes in den Aufsichtsrat der AG einzieht; Hitzlsperger müsste insoweit nicht einmal verzichten. Indes fühlen sich viele Mitglieder an dieser Stelle (zurecht) von der Vereinsführung getäuscht. Im Ausgliederungsprozess, der 2017 zur Gründung einer Aktiengesellschaft als Träger des Bereichs Profifußball führte, wurde gerade durch die geplante Rolle des Präsidenten des e.V. als Aufsichtsratsvorsitzender der AG Befürchtungen der Mitglieder entgegengetreten, diese würden zukünftig keinen Einfluss mehr nehmen können.
Wenngleich dieses Versprechen nicht in der Vereinssatzung verankert wurde – was neben den oben diskutierten Ungenauigkeiten einen Anlass für deren Überarbeitung bieten könnte –, erzeugt die von Thomas Hitzlsperger angestrebte Doppelfunktion (s)einer Person doch mehr als nur einen moralisch unschönen Eindruck. Dem deutschen Gesellschaftsrecht lässt sich – wie am Beispiel von § 105 AktG gezeigt – der Gedanke entnehmen, dass ein zu großer Einfluss einer Einzelperson in einer Gesellschaft nicht gesetzlich gewollt ist. Und vorliegend machen es eben gerade die Kandidatur von Thomas Hitzlsperger und das daraus resultierende Zusammenfallen verschiedener Ämter in einer Person notwendig, ein Versprechen gegenüber den Mitgliedern des Vereins zu brechen.
Die Notwendigkeit eines vereinsinternen Diskurses
Trotz der beschriebenen Untiefen der Vereinssatzung und der Anforderungen des Aktiengesetzes steht somit zunächst das Ergebnis, dass eine Wahl von Thomas Hitzlsperger zum Präsidenten des VfB Stuttgart e.V. rechtlich möglich ist. Sind also alle Beschwerden der Mitglieder überzogen? Bestehen keine größeren Schwierigkeiten bis auf moralische Ungereimtheiten ob eines gebrochenen Versprechens an die Mitglieder, das zudem Jahre zurückliegt und nicht von Hitzlsperger persönlich abgegeben wurde? Dass dem nicht so ist und dass auch die Vereinsführung so nicht denken sollte, zeigt sich dadurch, dass ein Fortfahren mit Hitzlspergers Kandidatur sich perspektivisch negativ auf die Legitimität der von ihm und den übrigen Vereinsorganen getroffenen Entscheidungen auswirken wird.
Dafür muss man sich vor Augen führen, dass die Entscheidungen der Organe eines Sportvereins – wie etwa auch die Ausübung von Gewalt durch Staatsorgane – der rationalen Rechtfertigung, also der Legitimation, bedürfen. Entscheidungen, die sich gegenüber den davon Betroffenen nicht rechtfertigen lassen, werden nicht akzeptiert, sondern angezweifelt werden. Auf lange Sicht führt eine fehlende Legitimation dazu, dass die Akzeptanz des gesamten Systems (Vereins- bzw. Staatsführung) leidet. Die Legitimation von Entscheidungen wird dabei typischerweise als Ergebnis eines vernünftig durchgeführten Verfahrens verstanden. Eine Regel lässt sich als gerechtfertigt (und damit gültig) ansehen, wenn ihr alle möglicherweise betroffenen Personen als Teilnehmer eines rationalen Diskurses zustimmen könnten. Die Legitimation von Entscheidungen gründet auf der allgemeinen Zugänglichkeit eines Diskussions- und Entscheidungsprozesses, dessen Struktur eine Erwartung akzeptabler Ergebnisse begründet.
Nun möchte man vielleicht anführen, dass dieser Ausflug in die politische Theorie wenig mit dem Vereinsleben des VfB Stuttgart zu tun hat und die Parallele zur demokratischen Legitimation überzogen ist – allerdings nur auf den ersten Blick. Wie auch größere Zusammenschlüsse von Personen in einem Staat lebt auch ein Verein auf kleinerer Ebene davon, dass die Mitglieder an seinen Entscheidungen partizipieren und diese akzeptieren können. Nicht ohne Grund werden die Angelegenheiten eines Vereins grundsätzlich durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. Die Mitgliederversammlung ist, auch weil sie offene Diskussion und Entscheidungsfindung ermöglicht, das höchste und maßgebliche Gremium eines Vereins. Aus einem offenen Diskurs, der für alle Mitglieder zugänglich ist, folgt letztlich die Legitimation aller Vereinsentscheidungen; schließlich werden die übrigen Vereinsorgane durch die Mitgliederversammlung gewählt. Auch vereinsintern sind demokratische Diskussions- und Entscheidungsprozesse mithin notwendig, soll nicht langfristig die Grundlage des Vereins insgesamt geschwächt werden.
Der sich aktuell beim VfB Stuttgart vollziehende Prozess ist auf mehrere Weisen geeignet, die Legitimation der Entscheidungen der Organe des VfB Stuttgart e.V. und der AG langfristig in Zweifel zu ziehen. Zunächst dadurch, dass – ausweislich des offenen Briefs von Thomas Hitzlsperger – mehrere Funktionsträger in e.V. wie AG den Plan entwickelten, Hitzlsperger als Präsidenten des e.V. zu installieren und damit die Führungsrolle des Präsidenten des e.V. im Aufsichtsrat der AG aufzugeben. Eine Zusage, die aus dem im Zuge der Ausgliederung geführten Diskurs mit den Vereinsmitgliedern resultierte, wird aufgegeben, ohne eine vergleichbare prozedurale Sicherung der Mitgliederrechte vorzuschlagen. Den Mitgliedern, die darauf vertrauen durften, dass ein gemeinsam im Diskurs abgestimmter Plan Gültigkeit behält, wird ein anderes Modell vorgeschlagen. Es ist so schwer zu erklären, wieso die Mitglieder in Zukunft weiter darauf vertrauen sollten, dass die Entscheidungsprozesse im Verein zu akzeptablen Ergebnissen führen.
Zugleich führte eine Wahl von Thomas Hitzlsperger als Präsident des e.V. dazu, dass einer Person gleichzeitig die operative Führung von e.V. und AG zukommt. Selbst wenn Hitzlsperger sich rechtlich nicht in den Aufsichtsrat wählen lassen kann, werden die Entscheidungsprozesse nun an beiden Schnittstellen von ihm angestoßen und beeinflusst. Dieser erhebliche Einfluss einer Person ist geeignet, Zweifel an der Zugänglichkeit der Entscheidungsprozesse für alle Mitglieder zu schaffen. In anderen Worten: Die Entscheidungen der Organe des VfB Stuttgart verlieren an Legitimität, wenn der Eindruck entsteht, dass Thomas Hitzlsperger diese als Einzelperson übermäßig stark beeinflussen kann.
Schließlich ist zu bedenken, dass die Vereinsmitglieder durch Hitzlspergers Kandidatur und eine nachfolgende Entscheidung des Vereinsbeirats vor eine schicksalshafte Entscheidung gestellt werden können, ohne jemals die Möglichkeit zur Äußerung ihres Willens gehabt zu haben. Schlägt der Vereinsbeirat die – ohne Zweifel profiliertesten – Bewerber Hitzlsperger und Vogt als Präsidenten vor, müssen diese sich für eine, jeweils mit massiven Nachteilen verbundene, Alternative entscheiden: Wählt man Vogt, um an den im Diskurs entwickelten Vorstellungen zur Organisation von e.V. und AG festzuhalten, riskiert man die Verprellung des erfolgreichsten sportlichen Verantwortlichen der jüngeren VfB-Vergangenheit. Wählt man aus diesem Grund Hitzlsperger, ist man zugleich zur Aufgabe der bisherigen Vereinsstruktur gezwungen und akzeptiert eine erschütterte Legitimationsbasis für die zukünftige Vereinsarbeit.
Ausblick und Auswege
Fahren Thomas Hitzlsperger und die übrige Vereinsführung mit ihrem Plan wie bisher fort, riskieren sie langfristig, dass die Legitimation der Vereinsentscheidungen insgesamt und nachhaltig leidet. Selbst wenn seine Kandidatur sich (noch) im Bereich des rechtlich Zulässigen bewegt, ist sie geeignet, dem Verein den Schaden zuzufügen, den er nach eigener Aussage von ihm abwenden möchte. In dieser schwierigen Situation ist der Diskurs mit den Mitgliedern zu suchen, um gemeinsam einen Lösungsweg zu entwickeln. Können sich Hitzlsperger und Vogt nicht auf gemeinsames Vorgehen verständigen, unter dem Hitzlsperger seine Kandidatur aufgibt, sollte nicht wie geplant (nur) mit einer turnusmäßigen Wahl des Präsidenten fortgefahren werden. Vielmehr ist dann ein grundlegender struktureller Diskurs darüber nötig, wie e.V. und AG künftig miteinander verzahnt werden sollen und welcher Einfluss dabei Einzelpersonen zukommen kann. Nur wenn ein solcher Diskurs geführt und seine Ergebnisse ggf. auch in der Satzung festgehalten wurden, kann sichergestellt werden, dass die Entscheidungen der Vereinsorgane auch zukünftig die notwendige Legitimität besitzen. Behält die Vereinsführung aber ihren bisherigen Kurs bei und wird Thomas Hitzlsperger tatsächlich im März zum Präsidenten gewählt, hätte der VfB Stuttgart insgesamt darunter leiden.