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Etappenziel

In einer an Entwicklungen nicht gerade armen Zeit habe sich am Wochenende die Ereignisse beim VfB nochmals überschlagen. Zwei Vorstände wurden abberufen, dem Vorstandsvorsitzenden weitere Maßnahmen vom Aufsichtsrat nahegelegt, Rücktritte im Vereinsbeirat und schließlich die Nominierung Claus Vogts als einzigen Kandidaten für die anstehenden Präsidentenwahl. In der Euphorie des gestrigen Abends habe ich dies auch als einen Sieg der Mitglieder und Fans bezeichnet und das sehe ich bis zu einem gewissen Maße auch jetzt noch so.

Allerdings ist es bei nüchterner Betrachtung auch nur ein Etappenziel, dass wir aktuell erreichen konnten, denn es gibt noch viele Punkte, die kurz- aber auch mit längerfristig angegangen und im Hinterkopf behalten werden müssen.

Ganz zuvorderst müssen wir Mitglieder und die Öffentlichkeit weiterhin transparent über die Ergebnisse der Untersuchung von Esecon in Bezug auf den Datenskandal aufgeklärt werden. Die Art im weiteren Umgang mit diesem Bericht und auch dessen Einschätzung durch weitere Kanzleien wird den Ton für die nächsten Monate und Jahre beim VfB setzen. Offenheit und echte Aufrichtigkeit in der Kommunikation können Grundpfeiler für die erneute Entwicklung eines (vorsichtigen) Vertrauens der Mitglieder in den Club sein. Zum Umgang mit den Untersuchungsergebnissen gehört aber natürlich auch, dass personelle und organisatorische Konsequenzen gezogen werden und sich die involvierten Personen für ihr Handeln verantworten müssen. Dazu müssen beim VfB Prozesse eingeführt werden, die ähnliche Vorkommnisse für die Zukunft verhindern.

In der AG gibt es einige Posten neu zu besetzen, zuvorderst natürlich die beiden Vakanzen im Vorstand. Auch wenn wir Mitglieder hier keinen Einfluss haben, so würde ich mir doch wünschen, dass die neuen Verantwortlichen neben der fachlichen Eignung vor allem auch ein Wertegerüst mitbringen, dass für eine Weiterentwicklung des VfB in eine positive Richtung stehen kann und die auch aktiv daran mitarbeiten wollen, beim VfB wieder ein anderes (Arbeits-) Klima zu etablieren. Dort, wo jetzt von toxischen Bedingungen gesprochen wird und Kündigungen der Mitarbeiter:innen deswegen erfolgen, muss ein offener, wertschätzender und professioneller Umgang miteinander geschaffen werden, der auch eine Fehlerkultur beinhaltet. Und das wird am besten „von oben“ vorgelebt (was definitiv auch den Umgang von Präsident/AR-Vorsitzenden und Vorstandsvorsitzenden miteinander mit einschließt!). Ich hoffe allerdings, dass die Vorstandposten jetzt nicht (im übertragenen Sinne) vom Ankerinvestor besetzt werden, der über diesen Weg den Einfluss noch mehr ausbauen wollen könnte. Übrigens fände ich es wegweisend, wenn für mindestens eine der Positionen eine Frau gewonnen werden könnte!

Auch im Verein gibt es einige Baustellen. Der Vereinsbeirat ist durch Rücktritte bzw. eine angekündigte Niederlegung des Amtes erneut dezimiert und muss neu besetzt werden. Hier hoffe ich, dass Personen gefunden werden können, die sich der gesamten Breite ihre Auftrages bewusst sind, zu dem auch die Vertretung der Interessen der Mitglieder im Verein zählt. Da darf kein Gremium aus Ja-Sager:innen sein, eine kritische und kontroverse Diskussion untereinander ist im Sinne eines demokratischen Prozesses immer zu begrüßen. Und auch das Präsidium sollte nicht nur beraten, sondern durchaus auch immer wieder kritisch hinterfragt werden. Wichtig ist dabei nur, dass dies auf Augenhöhe und professionell geschieht.

Eben jenem Präsidium stehen einige Veränderungen bevor: Claus Vogt muss sich nun der Wahl stellen und auch die beiden weiteren Posten in diesem Gremium stehen hoffentlich in Kürze zu einer Neubesetzung an (Update: Die Position von Herrn Mutschler ist jetzt schon mal frei). Es ist bedauerlich, dass für die anstehende Wahl keine Person gefunden werden konnte, die gegen Claus Vogt antritt. Auch hier ist es für uns Mitglieder immer wünschenswert, wenn wir wirklich eine Wahl haben. Eine Wahl zwischen Personen und (gerne auch ganz unterschiedlichen) Konzepten. Dass Vogt nun ohne Mitbewerber:inn antritt, ist allerdings nur in geringstem Maße ihm anzulasten. Die Gesamtsituation im Verein, der Brief von Hitzlsperger aber auch der mehr als unglückliche Umgang des Vereinsbeirates mit dieser Thematik, haben sicherlich viele mögliche Kandidat:innen davon abgehalten, ihren Hut in den Ring zu werfen. Ähnlich wie beim Vereinsbeirat hoffe ich auch für das Präsidium auf Personen, die professionell zusammenarbeiten, wo nötig auch mal in den Dissens gehen und den Verein nachhaltig weiterentwickeln wollen. Auch hier keine Ja-Sager:innen, sondern Menschen mit Ideen und Vorstellungen ganz im Sinne eines „neuen VfB“ (der wievielte „neue VfB“ das dann auch immer sein mag).

Ganz konkret sehe ich als eines der wichtigsten Themen im e.V. die komplette Überarbeitung der Satzung. Diese beinhaltet zu viele Lücken und Fehler in Bezug auf die Zusammenarbeit der Gremien, die Besetzung der Positionen und das Verhältnis zur AG. Außerdem sollte die Satzung zukünftig auch die gesellschaftliche Verantwortung des VfB reflektieren und in Aufbau und Text klar, prägnant und für alle verständlich formuliert sein. Da hier umfassende Änderungen anstehen (würden), muss außerdem ein Prozess gefunden werden, der die Anpassungen transparent begleitet, die Mitglieder auf dem Weg mitnimmt und soweit möglich auch deren Ideen mit berücksichtigt. Aktuell würde ich persönlich dazu tendieren, die Satzung nach einer Neufassung in einem großen Wurf zu etablieren und dies nicht über kleine, einzelne Änderungen zu machen. Diese Einschätzung könnte sich aber im Verlauf der nächsten Wochen und Monate noch ändern …

Zu guter Letzt haben auch wir Mitglieder weiter die Pflicht, unseren Verein kritisch zu begleiten und wo nötig unsere Stimme zu erheben. Sollte Claus Vogt für die nächsten vier Jahre als Präsident gewählt werden (wovon in der aktuellen Konstellation auszugehen ist), dann wird er uns beweisen müssen, dass er die wichtigen Themen auch wirklich wird voranbringen können. Mit einem Mandat über eine volle Amtszeit hat er veränderte Voraussetzungen, er muss diese aber auch nutzen und sich auf Diskussion und Nachfragen einstellen, wenn er dies nicht tut. Gleiches gilt selbstverständlich für das gesamte Präsidium und den Vereinsbeirat. Wichtig ist, dass dies bei aller möglicherweise inhaltlich notwendigen Schärfe in angemessener Form erfolgt, die das jeweilige Gegenüber respektiert.

Wir sollten bei aller (zumindest teilweise) vorhandenen Euphorie nicht vergessen, dass der VfB, der eigentliche Verlierer der letzten Monate, abseits des Sportlichen am Boden liegt, ein katastrophales Bild nach außen hin abgibt und noch viele, viele Themen angegangen werden müssen. Der Weg vor dem VfB und vor uns Fans und Mitgliedern wird kein leichter sein und es wird auch immer wieder Hindernisse geben. Deswegen kann das zurückliegende Wochenende mit all den Entwicklungen nur ein Etappenziel gewesen sein.

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1 Kommentar

  1. Philipp Edelmann 15. Februar 2021

    Hallo Ron! Ich stimme in dir in allem zu.
    Auch wenn wir evtl aus der Sicht vieler Personen am Boden liegen, so sehe ich eine Riesenchance sehr schnell wieder aufzustehen und als Verein unglaublich gestärkt aus der Situation herauszugehen. Diese müssen wir nutzen.

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