Das VfB-Mitglied Ron Merz zur sportlichen Situation und personellen Entscheidungen.
Zwei Siege gegen Bochum und Bielefeld, eine Niederlage in Dortmund. Öffentliche Diskussionen um die Trainerfrage, kritische Bewertungen im Umfeld, Sorgen bei den Fans. Wie sehen Sie die Stimmung vor dem Augsburg-Spiel?
Ron Merz: Dass der VfB aktuell mit Blick auf die Tabelle nicht so viele Argumente auf seiner Seite hat, ist völlig klar. Gar keine Argumente mehr hat man dann aber, wenn man zu dem desaströsen Auftreten in Dortmund auch noch all die organisatorischen Themen rund um Trainersuche und Vertragsverlängerung des Sportdirektor hinzunimmt. Wobei ich schon der Meinung bin, dass der VfB Stuttgart sich für wichtige Entscheidungen auch Zeit nehmen kann und sollte. Allerdings dann nicht begleitet von solch dilettantischer Kommunikation. Und wenn sich der VfB weiter die Unterstützung der Fans sichern will, dann sollte man sich JETZT endlich zusammenraufen und auch in der Außendarstellung nicht noch weitere Eigentore schießen. Nebenbei: Sich immer nur auf das „Hier und Jetzt“ zu konzentrieren ist erstaunlich kurzsichtig und hat schon bei der Suche nach möglichen Nachfolgern von Matarazzo nicht so wirklich gut funktioniert. Das Ziel muss doch sein, jederzeit handlungsfähig zu bleiben.
Und zur Stimmung vor Augsburg sei so viel gesagt: Ich werde vor Spielende gehen und nach Obertürkheim zu den VfB Frauen fahren.
Dient die Entscheidung, dass Michael Wimmer das Team weiter als Trainer betreut, diesem Ziel?
Ron Merz: Ich würde sagen, diese Entscheidung diente alleine dem Zweck, sich mehr Zeit zu erkaufen, auch wenn sich der VfB in einer sportlich enorm wichtigen Phase befindet. Erreicht hat man mit dieser Entscheidung aber nun endgültig, dass zwei Wochen vor der WM-Unterbrechung tägliche Spekulationen, Unruhe und Nebenthemen das Bild vom VfB bestimmen. Gemeinsam zu entschließen, sich auf die kommenden Spiele zu fokussieren mag tatkräftig wirken, klingt für mich aber nach Aufschieberitis. Und dann die Spiele gegen Bochum und Bielefeld noch mal ins Feld zu führen ist wie das den 14. Mai und das 2:1 gegen Köln auf der MV in jedem zweiten Satz zu erwähnen: Am Ende ist es Augenwischerei. Im Winter will man dann grundsätzliche Entscheidungen fällen, allerdings natürlich nicht ohne vorher mal wieder zu analysieren. Darin ist der VfB ja sowieso groß, nur mit der Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse hapert es dann halt gewaltig.
Was sagen Sie dazu, wenn das als Zögern oder Zeichen grundlegend unterschiedlicher Vorstellungen im Club gewertet wird?
Ron Merz: Jeder kann und darf seine Meinung haben. Wer für einen Traditionsverein wie den VfB arbeitet, muss Feedback annehmen. Und das auch reflektieren möchte ich ergänzen. Die Fans fiebern mit dem VfB, langsam ist die Fieberkurve aber einem kritischen Punkt und man vernimmt aus unterschiedlichen Richtungen, dass es so schlimm ist, dass vielen der VfB zunehmend egaler wird.
Natürlich sollen Entscheidungen nach dem besten Wissen und Gewissen getroffen werden. Dem eigenen, aber auch – sofern noch möglich – dem der gemeinschaftlich Verantwortlichen. Mir ist es ehrlicherweise egal, wie viele Listen mit Trainern es gibt, denn dass es in der AG (vom e.V. sprechen wir heute mal nicht) unterschiedliche Zielrichtungen gibt (sog. „persönliche Agenda“) sollte wohl mittlerweile allen klar sein. Irgendwann hilft es dann halt auch nicht mehr alles für den Klassenerhalt tun zu wollen, wenn das auf unterschiedliche Art und Weise geschehen soll. Und wenn man einen Fahrplan für die Vertragsverhandlungen mit Sven Mislintat hat, dann torpediert man dies nicht, in dem man es öffentlich auch von Ergebnissen abhängig macht. Es gibt Gründe, den Vertrag nicht zu verlängern? Dann zieht das durch, aber haltet Euch ALLE nach Außen zurück. Oder anders gesagt: Verhaltet Euch so professionell, wie es Euren Positionen (und den Gehältern) angemessen ist.
Traditionell beruhigen gute Ergebnisse die Fans am meisten, meinetwegen kann man da auch von „guten Argumenten“ sprechen. Aber alle Herren sollten nicht vergessen, dass irgendwann auch der Punkt erreicht ist, an dem der VfB auch durch die Vorgänge neben dem Platz Schaden nimmt. Manche „Interviews“ sind da definitiv wenig hilfreich. Vielleicht nicht mal dieses.
Auch Alexander Wehrle hat sich auf vfb.de ein Interview gegeben.